Anatomie der Ratte

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rat-1759485_1920.jpgDie Farbratte (Rattus norvegicus forma domestica) stammt von der Wanderratte (Rattus norvegicus) ab und ähnelt ihr daher in ihrer Anatomie starkt.

Größe und Gewicht
Männliche Farbratten können eine Körperlänge von bis zu 30 cm erreichen, die weiblichen bis zu 25 cm. Hinzu kommt ein ähnlich langer, aber meist nicht länger als 23 cm, Schwanz.

Aufgrund ihrer Körpergröße erreichen Männchen durchschnittlich ein Gewicht von 350 bis 700 g, die kleineren Weibchen bringen meist nur 250 bis 500 g auf die Waage. Doch wie beim Menschen gibt es auch bei Ratten besonders große und besonders zierliche Tiere. Daher sind diese Angaben nur Durchschnittswerte. Ein Idealgewicht für Ratten gibt es nicht.

Extremitäten
Ratten sind wie wir Menschen Sohlengänger. Sie besitzen an den Vorderpfoten vier und an den Hinterpfoten fünf bekrallte Zehen. An den Vorderpfoten ist aber meist noch ein sogenannter abgeflachter Daumennagel zu finden.
Hinterpfote von unten (Bild: Nienor)
  Hinterpfoten (Bild: Nienor)
 Vorderpfoten (Bild: Nienor)

Dank ihrer Pfoten sind Ratten wahre Kletterkünstler, die eigentlich alles erklimmen können, was sie vorfinden. Da sie die Hinterpfoten ganz nach hinten drehen können, können sie auch an senkrechten Flächen kopfüber herabklettern, sofern sie mit ihren Krallen ausreichend Halt finden. Oft jedoch trauen sie sich nicht wieder herunter, sodass man sie von Schränken oder ähnlichem «retten» muss.

Des Weiteren können Ratten ihre Vorderpfoten wie Hände benutzen, um Futter während des Fressens zu halten und zu drehen. Aber auch zum Putzen sind die Pfoten eine nützliche Hilfe. Ratten putzen sich ähnlich oft wie Katzen und sind daher sehr reinliche Tiere. Wenn sie nicht in dreckigen Käfigen leben müssen, besitzen Ratten sogar einen eigenen, parfümartigen Geruch.

Nienor-Futter-halten.jpgNienor-Kletterratz-2.jpgNienor-Kletterratz.jpg
Nienor-Putzen.jpgNienor-Putzen-2.jpgNienor-Putzen-3.jpg

Gebiss
Ratten besitzen, wie alle Glires, also Nagetiere und Hasenartige, pro Kieferhälfte einen vergrößerten und gekrümmten Schneidezahn (Incisivus), den sogenannten Nagezahn. Dieser ist wurzellos und dauerhaft nachwachsend. Im Gegensatz zu normalen Säugerzähnen befindet sich der zweischichtige Zahnschmelz nur auf der Vorderseite dieser spezialisierten Schneidezähne. Aufgrund der unterschiedlichen Konsistenzen von Dentin und Zahnschmelz bricht der Zahn beim Nagen stets so ab, dass sich eine scharfe Kante bildet.

Dieses «Abbrechen»für die Tiere lebensnotwendig, da zu lang gewordene Zähne die Tiere am Fressen hindern oder gar so lang werden, dass sie den Kiefer durchbohren können. Da das Zahnmaterial aber extrem hart ist, nutzt es sich nicht beim gewöhnlichen Nagen an Holz oder ähnlichem Material ab, sondern in erster Linie beim Aneinanderreiben der Zähne selbst z. B. beim Breischlecken oder «Knuspern». Zahnprobleme kommen bei Ratten daher in der Regel nur bei Zahnfehlstellungen vor. Vor Karies sind aber auch die kleinen Nager nicht sicher, daher sollte unbedingt auf zuckerhaltige Leckereien verzichtet werden.

Schema eines Nagezahns, dick schwarz der Zahnschmelz (Bild: Nienor)Achtung: Die unteren Kiefernhälfen sind nicht starr miteinander verbunden, sodass die unteren Nagezähne «locker» sind. Sie können daher parallel bis v‐förmig zueinander stehen zu unterschiedlichen Zeiten. Dies ist normal und keine Fehlstellung.

Ratten besitzen weder Eckzähne (Canini) noch vordere Backenzähne (Prämolare). Daher befindet sich zwischen dem Schneidezahn und den drei hinteren Backenzähnen (Molare) auf jeder Kieferhälfte eine große Lücke, auch Diastema genannt. Die Molaren haben, im Gegensatz zu denen von z. B. Meerschweinchen, nur ein begrenztes Wachstum. Das bedeutet: Sie können also nicht zu lang werden und das Tier am fressen hindern. Werden sie abgeschliffen, wachsen sie nicht nach. Die Zahnformel von Ratten lautet also 1003 ¦ 1003. Somit besitzen Ratten nur 16 Zähne.

Wie alle typischen Nager durchlaufen Ratten keinen Zahnwechsel, sie besitzen also keine Milchzähne. Gesunde Zähne haben sing orange gefärbt. In der Regel sind die oberen Schneidezähnerdunkler als die unteren. Sollten sich die Zähne verfärben, muss umgehend ein Tierarzt aufgesucht werden, da das Tier an einer Zahnerkrankung leiden kann, die äusserst schmerzhaft sein kann, oder eine Mangelerscheinung zeigt.

Orange‐farbene Rattenzähne sind gesund. (Bild: Nienor)Hinter den Schneidezähnen befindet sich das sogenannte Inflexum pellitum, eine Haut, die beim Nagen das Eindringen von Fremdkörpern in die Mundhöhle und somit das Verschlucken von schädlichen Splittern verhindert. Ratten nehmen also keine Fremdkörper beim Nagen auf, wenn sie dies nicht wollen. Daher kann Plastik in Rattenkäfigen verwendet werden. Die Nagekanten an Plastikeinrichtung sollte aber regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls abgeschliffen werden.

Schwanz
Der typische Rattenschwanz ist im Gegensatz zur landläufigen Meinung nicht unbehaart, sondern mit winzigen Haaren versehen. Beim genaueren Betrachten erkennt man 160 bis 200 Schuppenringe.

Der Schwanz dient bei Ratten zur Thermoregulation, ebenso wie die kaum behaarten Pfoten, da dort Wärme abgegeben werden kann. Des Weiteren hilft er beim Balancieren auf schmalen Ästen oder Seilen oder als direkt eingesetzte Kletterhilfe.

Detailaufnahme einer Schwanzspitze (Bild: Nienor)
Schwanz als Kletterhilfe (Bild: Nienor)

Gesichtssinn
Ratten besitzen unbewegliche Augäpfel und ihnen fehlt die Fähigkeit des Scharfstellens. Da sich die Augen seitlich am Kopf befinden, sodass sich die beiden Sichtfelder nicht überlappen können, sind sie ebenfalls nicht zum dreidimensionalen Sehen befähigt. Statt des räumlichen Sehens haben Ratten aber aufgrund dieser Anatomie ein Rundumsehen, das für potentielle Beutetiere überlebenswichtig ist. Die Pupillen können unabhängig voneinander bewegt werden, sodass die Augen in verschiedene Richtungen schauen können.

In der Netzhaut befinden sich nur Stäbchen. Die fehlenden Zäpfen lassen darauf schließen, dass Ratten ihre Welt nur in Schwarz‐Weiß wahrnehmen. Da sie ohnehin kaum scharf sehen, ist dies aber für die Tiere kein Problem. Sie können sehr gut Licht und Schatten unterscheiden und besitzen ein sehr gut entwickeltes Dämmerungssehen.

Harder’sches Sekret an der Nase (Bild: Nienor)In der Nickhaut, dem dritten Augenlid, befindet sich bei Ratten die Harder’sche Drüse, eine abgeleitete, akzessorische Tränendüse, die im Aufbau der eigentlichen Tränendrüse ähnelt. Die Harder’sche Drüse sekretiert im Normalfall eine klare Flüssigkeit, die auch der Befeuchtung der Augen dient. Durch den Tränen‐Nasen‐Kanal kann dieses Sekret auch zur Nase fliesen. Im Krankheitsfall oder wenn die Ratte gestresst ist, verfärbt sich das Sekret rot bis bräunlich. Die dann um Nase und Augen entstehenden Krusten von getrocknetem Sekret erinnern an geronnenes Blut. Verkrustetes Sekret an Augen und/oder Nase kann aber auch chronisch bedingt sein.

Gehör
Das sehr gut entwickelte Gehör der Ratten macht die eingeschränkte optische Wahrnehmung wett. Ihr Hörspektrum reicht von 8 kHz bis weit über 20 kHz; das des Menschen nur bis 20 kHz. Töne im Ultraschall‐Bereich können nicht nur wahrgenommen, sondern auch erzeugt werden und dienen der innerartlichen Kommunikation. Menschen hören dann nur ein leisen Hauchen.

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Spektrogramm dreier Unterwerfungsrufe (Bild: Nienor)


Tastsinn
Aufgrund der Vibrissen oder Tasthaare im Gesichtsfeld können sich Ratten auch in äußerster Dunkelheit orientieren. Dank ihres gut ausgebildetem Tastsinns können auch erblindeten Tieren ein fast normales Rattenleben weiterzuführen, wenn sie sich in unbekannter Umgebung befinden. Im Gehege, wo sich die Tiere auskennen, verlassen sie sich allerdings auf ihr Gedächtnis und orientieren sich nicht ständig neu. Wird das Gehege umgestaltet, kann es passieren, dass die Tiere ihre gewohnten Wege gehen wollen und so mit umplatzierten Gegenständen zusammenstoßen oder gar irgendwo abstürzen.

Vibrissem dienen der Orientierung (Bild: Nienor)Geruchssinn
Ein weiterer, erstaunlich gut entwickelter Sinn ist der Geruchssinn. Das olfaktorische Zentrum im Gehirn ist bei Ratten bei Weitem größer im Vergleich zur Gesamthirngröße als beim Menschen. Dank ihres guten Geruchs können Ratten sowohl ihre Nahrung erschnüffeln als auch Feinde und Rudelmitglieder riechen. Gerüche spielen auch bei der innerartlichen Kommunikation eine wichtige Rolle: So wird das Revier eines Rudels hauptsächlich durch Urin und Ausscheidungen der auf dem ganzen Körper verteilten Talgdrüsen markiert. Auch Scharren kann dem Markieren des Reviers dienen.






Aufgrund ihres guten Geruchssinns wurden von der Niederländischen Polizei Ratten dazu ausgebildet, Schmauchspuren an Beweisstücken zu erschnüffeln. Gambie‐Riesenhamsterratte, entfernte Verwandte der Farbratte, erschnüffeln sogar Minen in Kriegsgebieten und helfen sogar, Tuberkulose‐Erkrankungen zu erkennen.

Ratten riechen deutlich besser als Menschen (Bild: Nienor)Geschlechter und Fortpflanzung
Männliche Ratten sind im Alter von ca. vier Wochen am deutlich sichtbaren Hoden leicht zu erkennen. Mit 32 Tagen sollten sie unbedingt von der Mutter getrennt werden, um Inzest zu vermeiden, da ihre Geschlechtsreife kurze Zeit später eintritt. Ratten können ihren Hoden etwas in die Bauchhöhle ziehen, er bleibt aber immer sichtbar. Im Sommer ist er meist deutlich nach Außen verlagert. Dies mit den hohen Temperaturen zu tun hat, da die Spermien im Hodensack «gekühlt» werden müssen. Es ist also durchaus normal, dass der Hoden an warmen Sommertagen dicker aussieht.

Bei einer Kastration werden Hoden und Nebenhoden entfernt, im Samenleiter können aber einige Spermien eine gewisse Zeit überleben, weshalb Ratten nach der Kastration eine sogenannte Kastrationsquarantäne absitzen müssen, um Nachwuchs zu verhindern, sollten sie mit weiblichen Ratten vergesellschaften werden.

Rattenweibchen sind im Alter von ca. sechs Wochen geschlechtsreif und können somit nach einer Tragzeit von 21–25 Tagen im jungen Alter von gerade einmal neun Wochen selbst Nachwuchs zur Welt bringen. Ein Wurf kann bis über 15 Jungtiere umfassen, wobei die meisten Ratten um die 10 Welpen gebären. Die Jungen werden ca. drei Wochen lang gesäugt, beginnen aber mit ungefähr zwei Wochen, wenn sie das Nest verlassen, feste Nahrung aufzunehmen. Ratten besitzen 12 Zitzen und wie alle Nager zwei Gebärmütter (Uterus duplex).

Rattenweibchen können von Männchen an der Vagina unterschieden werden, die sich direkt hinter dem Harnausgang befindet. Man kann bei Ratten also durch «Löcherzählen» das Geschlecht bestimmen, wenn keine Hoden sichtbar sind. Bei jungen Weibchen ist die Vagina allerdings noch verschlossen. Auch der Abstand zwischen Harnausgang und After kann bei der Unterscheidung helfen. Bei Männchen ist dieser deutlich größer. Jedoch ist der Anogenitalabstand beim Weibchen sehr variabel und kann auch relativ groß sein. Sicherheit bietet auch die Suche nach dem Penis, der bei männlichen Ratten vorsichtig heraus manipuliert werden kann.

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