Qualzuchten der Farbmaus

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202396Noch immer werden in Kinderzimmern, bei selbsternannten Hobbyzüchtern und bei anderen dubiosen Tierliebhabern Mäuse «produziert», deren Leben von Krankheiten und Schmerzen geprägt sein wird: Qualzuchten. Oft werden die Ergebnisse dieser Vermehrungen in den Zooladen getragen und dort dann verkauft. Der Kauf solcher Tiere schadet aber nicht nur eurem Portemonnaie (häufige Tierarztbesuche sind vorprogrammiert) und den Nerven ihrer Besitzer (die Tiere leiden zu sehen ohne helfen zu können), sondern vor allem unterstützt man damit jene finanziell, die für dieses Leid verantwortlich sind. Damit nicht unwissentlich Qualzuchten gekauft werden, ist es absolut notwendig, sich über die vorkommenden Qualzuchten zu informieren.

Locken- und Langhaarmäuse
Locken‐ und Langhaarmäuse sind überdurchschnittlich anfällig für Parasiten. Daraus folgt, dass diese Tiere keinesfalls in schlecht belüfteten Aquarien gehalten werden dürfen (was auch bei «normalen» Mäusen wenig ratsam ist) und auch sonst stets auf eine möglichst parasitenfreie Umgebung geachtet werden muss. Das heißt, jedes neue Inventar, Heu, Stroh und auch das Futter wird idealerweise vor dem Gebrauch für 48 Stunden eingefroren. Auf eine gesunde, abwechslungsreiche Ernährung ist ebenfalls in besonderem Maße zu achten, damit ein starkes Immunsystem aufgebaut werden kann, und viel Stress (z. B. häufiges Vergesellschaften) ist unbedingt zu vermeiden.

Selbst wenn das alles zusammen eventuell übertrieben klingt – jeder Parasitenbefall kann Auslöser sein, eine Maus zu einer «Kratzmaus» zu machen. Da die dünnen, schräg herauswachsenden Haare leicht einwachsen können und schon für Juckreiz sorgen, kann so durch einen Befall von Milben und Co. leicht der «Umschlagspunkt» erreicht werden, an dem die Maus sich aus Gewohnheit kratzt. Mitunter entstehen dann kleine Wunden, die bei der Heilung wiederum jucken und ein Teufelskreis beginnt, der mit Medikamenten nur in den seltensten Fällen wieder durchbrochen werden kann.

Außerdem ist der Tastsinn von Locken‐ und Langhaarmäusen eingeschränkt. Aber was genau bedeutet das für ein Mäuseleben? Die Tasthaare sind ausgesprochen wichtig für die Orientierung im Raum. Beispielsweise werden sie genutzt um einschätzen zu können, ob ein Loch groß genug zum Durchgehen ist, aber auch beim Klettern sind sie von Bedeutung. Eine Maus mit veränderten Vibrissen klettert oft nur unsicher und eher langsam. Unter Umständen vermeidet sie schwierige Kletterpartien vollkommen und kann so nicht alle Bereiche des Käfigs nutzen. Allgemeine Trägheit und eine Gewichtszunahme können die Folge sein.

Als weiterer Stichpunkt seien die oft entzündeten Augen angegeben, die durch einwachsende Haare hervorgerufen werden. Das spricht für sich, und jeder wird einsehen, dass oft entzündete Augen für ein Tier qualvoll sind. Leider bedeutet das folgerichtig Stress für das Tier – die Augen selbst und die TA‐Besuche – was wieder einen Parasitenbefall begünstigt.

Und als ob das alles nicht «genug» ist… Mäuse, die im Zooladen verkauft werden, stammen – wie oben geschrieben – meist aus in jeder Hinsicht unkontrollierten Verpaarungen. Junge Mäuse entwickeln zum Teil erst im Alter von drei bis vier Monaten langes oder gelocktes Haar. Beim Kauf von völlig «normalen» jungen Mäusen besteht somit keine Garantie, auch wirklich gesunde Tiere zu erhalten. Kommt dann noch die Schwangerschaft eines Tieres beim Kauf hinzu oder wurden versehentlich verschiedene Geschlechter verkauft (beides passiert öfter als man glauben mag…) und die Männchen müssen kastriert werden, sind die durch den Stress angegriffenen Tiere wieder ein tolles Ziel für Parasiten.

Mäuse mit roter, orangener, gelber Fellfarbe
Das Gen A [y] (dominant red) welches diese Färbung bewirkt, ist ebenfalls verantwortlich für die Fettleibigkeit der Mäuse. Im jungen Alter noch schlank und rank, verwandeln sie sich mit zunehmendem Alter selbst bei streng fettarmer Ernährung in wahre «Rollmöpse». Die gesundheitlichen Folgen sind fatal: Genau wie beim Menschen werden die inneren Organe geschädigt und das Herz‐Kreislaufsystem wird über die Maße beansprucht. Auch werden die Gelenke sehr beansprucht, so dass die Tiere im Laufe ihres Lebens immer träger werden und schließlich viel zu früh versterben. Aus direktem Vergleich zweier miteinander verwandter und gleichalter Mäusegruppen, die von verschiedenen Haltern gepflegt wurden, kann ich leider sagen, dass stark fettleibige Mäuse bis zu einem Jahr weniger Lebenszeit haben.

Weil in Deutschland eine Mutation entstanden ist, welche die Tiere ebenfalls gelblich färbt, aber ohne den „Nebeneffekt“ der Fettleibigkeit (man spricht hierbei vom rezessiven rot), behaupten einige «Hobbyzüchter» immer wieder, ihre Tiere würden nicht qualzüchtig sein. Das ist nicht wahr! Alle Tiere mit rezessiver Rot‐/Gelbfärbung befinden sich in den Händen seriöser Züchter, welche mit diesen Tieren einen gesunden Zuchtstamm aufbauen möchten. Demzufolge werden solche Mäuse bis dato nicht verkauft und der Hobbyzüchter von Nebenan kann solche Tiere nicht besitzen.

Viele «Hobbyzüchter» haben Freude daran, ihre Tiere mit den wohlklingenden Farbbezeichnungen anzupreisen. Deswegen hänge ich unten noch eine Liste aller Farben mit A [y] an. Diese Liste stammt von Linus‐Pepe – vielen Dank!!

Liste der Farben, die Fettleibigkeit zur Folge haben
Self Farbschläge
  • Coffee
  • Cream
  • Elderly Cream
  • Elderly P.E Cream
  • Fawn
  • Mock Fawn
  • Mock P.E. Cream
  • Off White
  • Pink Eyed Cream
Shaded Farbschläge
  • Blue Sable
  • Chocolate Sable
  • Elderly Sooty Cream
  • Light Sooty Cream
  • Light Umbrous Cream
  • Lilac Sable
  • Marten Sabel
  • Sable
  • Sooty Cream
  • Sooty Red
  • Umbrous Cream
  • Umbrous Red
«Nachwort»
Es besteht absolut kein Hinderungsgrund, aus einem Tierheim oder von einem Unfallwurf oder einem größeren Notfall qualzüchtige Tiere aufzunehmen und ihnen einen schönen Lebensabend zu gestalten, sofern man sich über die besonderen Ansprüche im Klaren ist und die Tiere auch irgendwann in Frieden gehen lassen kann. Demgegenüber gibt es sehr gute Gründe, die gegen einen Kauf von Qualzuchten beim «Produzenten» (sei es eine Kinderzimmerzucht, ein Hobbyvermehrer oder der Zooladen) sprechen. Denn damit wird, wie oben bereits geschrieben, die weitere Zucht finanziert. Bedenkt man nun noch, dass in Zooläden oft genug falsche/gemischte Geschlechter, schwangere Tiere, kranke und parasitenbefallene, sowie inzuchtgeschwächte und zu früh von der Mutter getrennte Mäuse verkauft werden, kann man eigentlich von einem Zooladenkauf nur noch komplett abraten.

Und das ist meine Bitte an dich! Nachdem du dir das alles durchgelesen hast, verstehst du nun, warum Qualzuchten wirklich ein qualvolles Leben haben und dass es genug Menschen gibt, denen das völlig egal ist, sofern sie Geld dafür bekommen. Gib diesen Leuten kein Geld – auch nicht, um aus Mitleid eine Maus zu retten! Für jedes gekaufte Tier rücken neue Tiere nach!
 
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